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Die erste Schau 3 page





Der Kaiser sinkt in sich zusammen wie ein seit langem schon Erschöpfter. – Mir wirbeln die Sinne. Woher weiß dieser seltsame, rätselhafte Greis da vor mir indem verblichenen Lehnstuhl meine verborgensten Geheimnisse?! – Wie kann er ahnen...? Und dabei fällt mir die Königin Elisabeth ein: hat nicht auch sie bisweilen mir Worte gesagt, die unmöglich aus ihrem Hirn hatten kommen können?! Die geklungen haben, als kämen sie aus einem andern Reich, in dem Elisabeth unmöglich bewußt verankert sein kann! Und jetzt: Kaiser Rudolf! Auch er! – Welch rätselhafte Bewandtnis hat es mit Menschen, die auf Thronen sitzen?! Sind sie die Schatten großer Wesen, die "drüben" gekrönt sind?! – – –

 

Der Kaiser richtet sich wieder in seinem Stuhl auf.

"Also wie ists mit Eurem Elixier?"

"Wenn Eure Majestät befehlen, werde ich es überreichen."

"Gut. Morgen um dieselbe Zeit", sagt der Kaiser kurz. "Schweiget gegen jedermann von diesen Zusammenkünften mit mir. Es ist Euer Vorteil."

Ich verneige mich stumm und zögere. Bin ich entlassen? – Es scheint. Der Kaiser ist eingeschlafen. Ich wende mich zu der niedrigen Tür, öffne, – pralle entsetzt zurück: hinter der Schwelle erhebt sich, greulich gähnend, ein sandgelbes Ungeheuer. Ein Dämon der Unterwelt? – Ein zweiter, gefaßterer Blick macht meinen Schrecken nicht geringer: ein mächtiger Löwe ists, die grünen Katzenaugen kurzsichtig und bös auf mich gerichtet; die rauhe Zunge schlägt hungrig um das gefletschte Gebiß.

 

Wie ich Schritt vor Schritt zurückweiche, schiebt sich der Hüter der Schwelle lautlos trägen Schrittes immer massiger herein. Jetzt hebt er den Rücken nach Katzenart – jetzt, so scheint es, setzt er zum Sprung gegen mich an. Ich wage keinen Laut. Todesschreck lähmt mich: es ist kein Löwe! Das rotbemähnte Teufelsgesicht... es grinst mich an... es fletscht mir ein kollerndes Gelächter entgegen... das ist: – "das Gesicht des Bartlett Green!!" will ich schreien, aber die Stimme versagt...

Da kommt aus dem Mund des Kaisers ein schnalzender Ton: das gelbe Ungeheuer wendet den Kopf, schleicht gehorsam zum Sitz des Kaisers, streckt sich schnurrend, daß beim Niederfallen des gewaltigen Körpers die Diele erzittert. Es ist doch nur ein Löwe! Das Riesenexemplar eines Berberlöwen von brandroter Färbung der Mähne.

Draußen vor dem Fenster rauscht der Hirschgraben. –

Der Kaiser nickt mir zu:

"Sehet, wie wohl man Euch bewacht. Der 'Rote Löwe' steht überall am Eingang der Geheimnisse. Lehrlingswissen der Adeptschaft. Geht!"

Lärm überfällt mein Ohr. Schmetternde Tanzmusik. Ein Riesensaal. – Ach ja... ich erinnere mich: das ist das Fest, das ich und Kelley der Stadt Prag im großen Rathaussaal gerichtet haben. Das Toben und Stampfen der ausgelassenen Menge, das Vivatgeschrei der halbtrunkenen Gäste verwirrt die Sinne. Kelley taumelt auf mich zu mit einem Humpen voll schäumenden böhmischen Bieres. Der Ausdruck seines Gesichtes ist gemein. Unsagbar gemein. Das Rattengesicht des betrügerischen ehemaligen Notars verhüllt kein glattgescheiteltes Haar mehr. Die abgeschnittenen Ohren glühen an den Wundrändern ekelhaft hervor.

 

"Bruderherz", geifert der Betrunkene, "Br... Bruderherz, gib mir den Rest vom ro... roten Pulver heraus, – es ist Z... Zeit, sag ich dir,... w... wir sind pl... pleite, Bruderherz!"

 

Widerwillen, Schreck und Ekel zugleich überfallen mich.

"Wie? Schon wieder alles verpraßt, was monatelanges Gebet auf blutenden Knien dem Engel abgerungen hat?!"

"Was schiert mich den blutiges Knie, Bruderherz?" johlt fröhlich der Prolet. – – "Gib das rote Pu... Pulver her, verstehst du, dann sind wir bi... bis morgen aus dem S... Saft!"

"Und dann?"

"Dann?! Der Oberburggraf des Kaisers, der Ursinus Graf Rosenberg, der Narr, der pu... pumpt schon..."

 

Blutroter Zorn in mir kocht über. Ich schlage mit der Faust zu, – blindlings. Der Bierhumpen poltert zur Erde und befleckt mir den besten meiner Röcke mit Vysehrader Dickbier. Der Kelley flucht ein rohes Wort. Haß züngelt auf aus dem Dunst der Schlemmerei rings um mich her. Die Musik im Saal spielt auf:

 

Drei Heller, drei Batzen,
drei Busserln seind genug.

"Mausig machen, Seidenkater?!" schreit der Quacksalber. "Das Pu... Pulver, sag ich!"

"Das Pulver ist dem Kaiser versprochen!"

"Der Kaiser kann mir..."

"Still, du Hundsfott!"

"Diebsbaron! Wem gehören Kugeln und Buch?!"

 

"Wer hat Kugeln und Buch lebendig gemacht?"

 

"Und wer pfeift dem Engel: schön Apport? Häh?"

"Ruchloses Lästermaul!"

"B... Betbruder!"

"Aus meinen Augen, Gotteslästerer, oder...!"

Von hinten schlingen sich zwei Arme um meine Schultern und lähmen den Stoß meines hervorgerissenen Degens. – Jane hängt weinend an meinem Halse...

Für einen Augenblick bin ich wieder der, der am Schreibtisch sitzt und in den Kohlekristall starrt, – nur für einen kurzen, schnellen Augenblick, dann bin ich abermals in meinen Urahn John Dee verwandelt und irre durch die ältesten verkommenen Viertel des mittelalterlichen Prag und weiß nicht, wohin mein Fuß mich tragen wird. Ich habe das dumpfe Bedürfnis, unterzutauchen in den Bodenschlamm des namenlosen, gewissenlosen, verantwortungslosen Pöbels, der seine stumpfsinnigen Tage mit der Befriedigung qualmiger Triebe ausfüllt und zufrieden ist, wenn Wanst und Geilheit satt sind.

 

Was ist das Ende alles Strebens? – Müdigkeit... Ekel... Verzweiflung. – Der Kot des Adels und der Kot des Pöbels ist ein und derselbe Kot. – – Der Kaiser verdaut nicht anders als der Kanalräumer. – Welcher Irrtum, zum Kaiserlichen da drüben auf dem Hradschin emporzuschauen wie zum Himmel! – Und was kommt vom Himmel? Nebel, Regen, unendlicher Schmutz von wäßrigem Schnee. – Seit Stunden wate ich durch den Himmelskot, der aus blaugrauer Höhe klebrig niederfällt. – – Verdauung des Himmels, widerlich, widerlich... widerlich! – – Ich merke, ich bin ins Ghetto hinabgeraten. Zu den Ausgestoßenen unter den Ausgestoßenen. Erstickender Gestank eines unbarmherzig auf ein paar Gassen zusammengestellten Volkes, das zeugt, gebiert, wächst, Tote in seinem Friedhof über faulende Tote schichtet, – Lebendige über Lebendige in seinen finsteren Wohntürmen stapelt wie Heringe. – – – Und sie beten und harren und rutschen sich die Knie blutig und warten... warten... hundert Jahr um hundert Jahr... auf den Engel. Auf die Erfüllung ihrer Verheißung...

 

John Dee, was ist dein Beten und Warten, was ist dein Glauben und Hoffen auf die Versprechungen des Grünen Engels, verglichen mit dem Warten, Glauben, Beten, Harren und Hoffen dieser elenden Hebräer?! – Und Gott, der Gott Isaaks und Jakobs, der Gott des Elias und des Daniel: ist er ein geringerer, ein treuloserer Gott als sein Diener vom westlichen Fenster?! – –

Mich überfällt ein heißes Verlangen, den hohen Rabbi Löw aufzusuchen und ihn zu befragen um die furchtbaren Geheimnisse des Wartens auf Gott...

Ich weiß, irgendwie weiß ich: ich stehe leibhaftig im niedrigen Zimmer des Kabbalisten Rabbi Löw. Wir haben vom Opfer des Abraham gesprochen, – vom unabwendbaren Opfer, das Gott verlangt von denen, die er sich blutsverwandt machen will... Dunkle, geheimnisvolle Worte habe ich da vernommen von einem Opfermesser, das nur einer sehen kann, dessen Augen aufgetan worden sind für die dem sterblichen Menschen unsichtbaren Dinge der andern Welt: – Dinge, die wirkhafter und wirklicher sind als die Dinge der Erde und dem blinden Suchenden nur angedeutet werden können durch die Symbole von Buchstaben und Ziffern. Durch Mark und Knochen gingen mir diese rätselhaften Worte aus dem zahnlosen Munde des alten wahnsinnigen Mannes!... Wahnsinnig? – Wahnsinnig, wie sein Freund dort drüben, hoch auf der Burg, der kaiserliche Rudolf von Habsburg! – Monarch und Ghettojude: Brüder im Geheimnis... Götter im lächerlichen Firlefanz der Erscheinung beide... wo ist der Unterschied?

 

 

Auf meine Bitte hat der Kabbalist meine Seele in die seine gezogen. Ich bat ihn, er solle meine Seele entrücken; er hat es verweigert, hat gesagt, sie bräche zusammen, wenn er es täte. Sie müsse sich an die seinige klammern, die jenseitig geworden ist vom Leib der irdischen Welt. – Oh, wie habe ich bei diesen Worten denken müssen an den Silbernen Schuh des Bartlett Green! – Dann hat der Rabbi Löw mir das Knöchlein an meinem Schlüsselbein berührt, so wie – – damals der Straßenräuber im Gefängnis des Tower. – – Und dann sehe ich – sehe mit den tränenlosen, ruhevollen, unerschütterlichen Augen des alten Rabbis: mein Weib Jane kniet vor Kelley in der Stube, drüben im Haus am Ring. Sie ringt mit ihm um mein Glück, wie sie meint: um Gold und um den Engel. – Kelley will sich das Buch und die Kugeln aus meiner Truhe mit der Brechstange holen, weil die Schlüssel, ihm unzugänglich, in meinem Verwahr sind. Er will bei Nacht und Nebel mit seinem Raub aus Prag fort, will uns sitzenlassen in Not und Elend. Jane schützt mit ihrem Leib die Truhe. Sie verhandelt mit dem Schurken. Sie fleht, sie weiß nicht, was sie tut.

 

 

Ich... lächle!

Kelley macht Einwendungen jeder Art. Rohe Drohung wechselt mit listigem Überlegen und kaltes Pläneschmieden mit geheucheltem Erbarmen. Er stellt Bedingungen. Jane sagt zu allem ja. Immer gierigere Blicke streifen mein Weib. Wie Jane vor ihm kniet, reißt das Tuch über ihrer Brust. Kelley wehrt ihrer ordnenden Hand. Er schaut hinab zu ihr. Feuer beschlägt ihm den Kopf.

 

Ich... lächle.

Kelley hebt Jane empor. Die Griffes seiner Hände sind lüstern, schamlos. Jane macht ihm schwache Vorhaltungen: die Angst um mich nimmt ihr jeden Mut.

 

Ich... lächle.

Kelley läßt sich überreden. Er macht alles Künftige von den Befehlen des Grünen Engels abhängig. Er läßt Jane schwören, daß sie – gleich ihm – Gehorsam, Gehorsam leisten wolle bis zum Tod und über den Tod hinaus dem Gebot des Engels, wie immer es auch lauten möge. Nur so, droht er, sei noch Rettung. – Jane schwört. Angst färbt ihr Gesicht totenblaß.

 

Ich... lächle; aber ein feiner spitzer Schmerz wie von einem haarscharfen Schächtmesser durchschneidet mir, ich fühle es, die Lebensader. Es ist fast wie Todeskitzel...

 

Dann sehe ich wieder vor mir, als schwebe es frei in der Luft, das uralte, von Furchen durchpflügte, seltsam winzige Kindergesicht des hohen Rabbi Löw. Er sagt:

 

"Isaak, das Messer Gottes ist dir an die Kehle gesetzt. Aber im Dornbusch zappelt das stellvertretende Lamm. Wenn du einst ein Opfer annimmst, sei gnädig wie 'Er'; sei barmherzig wie der Gott meiner Väter."

 

Dunkelheit gleitet an mir vorüber wie ein Heer von blinden Nächten, und ich fühle die Erinnerung an das, was ich gesehen mit den Augen der Seele des Rabbis, verblassen und verschwinden. Es rührt mich an, als sei's ein böser Traum gewesen.

 

Waldgebirge steigt vor mir auf. Ich stehe, in einen dunkeln Reisemantel gehüllt, mit müden Füßen auf einem Felsvorsprung und fröstele. Kühler Morgen dämmert herauf. Irgendwer, ein Köhler, ein Waldmensch, hat mich verlassen, der mein nächtlicher Führer war... Ich soll dort hinauf, dort, wo aus dem niederflutenden Nebel sich ein grauer Mauerstrich aus dem entlaubten moderbraunen Wald abhebt. Jetzt wird eine mächtige, von zinnengezähnten Mauerkranz doppelt umschlossene Burganlage deutlicher: ein schmalgestreckter Wohnbau, davor, steil aus dem Felsen ausspringend, das Torhaus; dahinter ein niedriger, massiger Turm, auf dem sich der Habsburger Doppeladler als riesige schwarzeiserne Wetterfahne dreht. Noch höher hinauf, hinter einem Lustgarten: der ungeheure Würfel eines zweiten, in sechs Stockwerken ragenden Turmes mit Fensterschlitzen von der Höhe gotischer Chorbögen. Ein Turm, halb unbezwingliche Festung, halb heilige Dinge bergender Dom: Karlav Tyn – Burg Karls Teyn, – so hat es der Köhler genannt: des Heiligen Römischen Reiches Schatzhaus; ehrwürdige Zuflucht und drohender Wardein der Kleinodien des Reiches. – –

Ich steige den schmalen Felspfad hinab. Ich weiß: da drüben wartet Kaiser Rudolf auf mich. Er hat mich heimlich nächtlicherweise zu sich befohlen, geheimnisvoll wie immer, plötzlich, mit verhüllter Absicht, unter völlig undurchsichtigen Vorsichtsmaßregeln. – Ein unheimlicher Mensch!

 

Flucht vor Verrat, Mißtrauen gegen jedermann, Menschenverachtung und Welthaß machen den alten Adler räudig und ausgestoßen aus aller Liebe und aus dem natürlichen Adel seiner Natur. – Welch ein Kaiser – – – und was für ein seltsamer Adept! – Ist Welthaß denn Weisheit? Ist hohe Einweihung bezahlt mit ständiger Todesfurcht vor Giftmördern?? Solche Gedanken umflattern meine Stirn, indessen ich der in den Felsen gerissenen Schlucht entgegengehe, über die in schwindelnder Höhe die Zugbrücke zu Karls Teyn hinübergeschlagen ist.

 

Ein von Gold und Edelsteinen funkelnder Raum: die Kreuzkapelle in der "Zitadelle". Hinter dem Altar, weiß ich, ist die gemauerte Gruft der Reichsinsignien.

 

 

Vor mir steht der Kaiser, im schäbigen schwarzen Mantel wie immer; aber in dieser Umgebung ist der Gegensatz noch viel toller, der zwischen Macht und Rang dieses Mannes und seinem Äußeren zur Schau tritt.

Ich übergebe Rudolf die Protokolle unserer Sammlung über die " Actions ", die wir mit dem Grünen Engel gehabt haben seit den ersten Tagen in Mortlake. Jedes der Protokolle beglaubigt von den Teilnehmern der Sitzungen. Kaiser Rudolf prüft flüchtig die Unterschriften. Die Namen Leicesters, des Fürsten Laski, des Königs Stefan von Polen stechen ihm in die Augen.

Er wendet sich ungeduldig gegen mich:

"Was weiter? Macht rasch, Sir; Ort und Stunde ist nicht von der Art, daß ich lange mit Euch unbelauscht verweilen kann. Das Gezücht verfolgt mich bis in die Gruft meiner Väter."

 

Ich ziehe das dem Kelley abgerungene geringe Quantum des roten Pulvers des Engels hervor und überreiche es dem Kaiser. – Seine Augen funkeln auf.

"Echt!" stöhnt sein greisenhaft offener Mund. Die bläuliche Unterlippe fällt kraftlos aufs Kinn herab. Mit scharfem Blick hat der Adept erkannt, welches Arkanum er in Händen hält. Vielleicht zum erstenmal in seinem Leben, das voll ist von unausdenklichen Enttäuschungen und Nasführereien, frechen wie dummen Versuchen der Gaukler, einen verbissen und verzweifelt Suchenden zu betrügen.

 

"Wie macht Ihr das?" – die Stimme des Kaisers bebt.

"Nach den Anweisungen des edlen Buches aus Sankt Dunstans Grab, wie Euer Majestät aus den Reden meines Freundes Kelley schon seit einigem bekannt."

"Her mit dem Buch!"

"Das Buch, Majestät..."

Der gelbe Hals des Kaisers verlängert sich, wie bei einem ägyptischen Sattelgeier.

"Das Buch?! Wo ist es?"

"Das Buch kann ich – zur Stunde wenigstens – nicht in Euer Majestät Hand legen;...schon deshalb nicht, weil ich es nicht bei mir habe. Es wäre in der Tasche eines einsamen Wanderers in böhmischen Wäldern übel aufbewahrt gewesen."

"Wo ist das Buch?" faucht der Kaiser.

Ich werde unterm Überlegen ruhig.

"Das Buch, Majestät, das wir selbst noch immer nicht zu lesen vermögen..." –

 

der Kaiser wittert Betrug – – wie soll ich ihm da die Hilfe eines Engels glaubhaft machen?!... Es ist klar: ich darf nicht – jetzt noch nicht – – Rudolf darf das Buch erst zu sehen bekommen, wenn... wir die Herren des Geheimnisses geworden sind.

"Wo ist das Buch?" unterbricht die zischende Frage Rudolfs mein blitzschnelles Denken zum zweitenmal. Drohung flammt aus dem Geierblick. – Bin ich in eine Falle gegangen?! Ich antworte:

"Majestät, das Buch ist in gutem Verwahr. Nur gemeinsam mit Kelley ist es mir möglich, den Verschluß zu lösen, unter dem das kostbare Geschenk des Heiligen Dunstan liegt. Ein Schlüssel ist bei mir, ein anderer bei ihm: nur beide Schlüssel zusammen öffnen die Eisentruhe. – – Aber wenn auch Kelley hier wäre und beide Schlüssel zur Hand und die Truhe desgleichen – Majestät, was verbürgte mir..."

"Landstreicher! Gauner! Galgenvögel!" hackt der Kaiser los.

Ich entgegne mit Würde:

"Ich bitte die Majestät, mir das rote Pulver aus Dero Hand zurückzugeben. Es ist für Euer Majestät offenbar wertloses Gestäube, denn wie sollten Landstreicher, Gauner und Galgenvögel im Besitz des dreimal heiligen Geheimnisses des Laips transformationis sein?!"

Rudolf stutzt, knurrt. – Ich fahre fort:

 

"Auch ist es nicht mein Wille, die unverletzliche Majestät im Schutze Ihrer Erhabenheit sicher zu sehen vor der Rache meiner beleidigten Ehre, – der Ehre eines englischen Baronets, denn solche Sicherheit ehrt nicht."

Meine überkühnen Worte machen den gewünschten Eindruck auf den Kaiser. Er krallt seine Finger fester um die Büchse mit dem roten Pulver, zögert, bricht dann los:

 

"Muß ich immer wieder sagen, daß ich kein Räuber bin?! Wann werde ich das Buch in Händen haben?"

Zeit gewinnen – raunt mir mein Herz zu. Dann sage ich laut:

"Kelley ist in Angelegenheiten, die uns wichtig sind, abzureisen im Begriff gewesen, als mich Majestät hierher befahlen. Wenn er zurück ist, werde ich ihn bestimmen, Euer Majestät das Buch des Heiligen Dunstan zugänglich zu machen."

"Bis wann ist dieser Kelley zurück?"

Aufs Geratewohl sage ich:

"In einer Woche, Majestät." – – (Nun ists gesagt. –)

 

"Gut. Heute binnen zehn Tagen meldet Euch bei meinem Burggrafen Fürsten Rosenberg. Ich werde dann das Weitere bestimmen. – Hoffet auf keine Ausflüchte weiter! Der Bann der heiligen Kirche liegt schon auf Euch. Kardinal Malaspina hat vorzügliche Augen. Es riecht nach Scheiterhaufen, Sir Dee! Meine Macht ist an den Grenzen Böhmens leider zu Ende. – – Und diese Grenzen müßt Ihr mit dem Rücken beschauen, wenn ich in der bemessenen Frist nicht das Buch Sankt Dunstans beschaue und Eure Belehrung über seinen Inhalt genossen habe. Wir verstehen uns? Es ist gut." –

Die Kapelle kreist um mich her. – Das also ist das Ende!? Binnen zehn Tagen muß ich das Buch sankt Dunstans lesen können, oder wir sind verloren, als Betrüger beschimpft, landesverwiesen und von den Häschern der Inquisition abgefangen! – – Binnen zehn Tagen muß der Engel helfen! Binnen zehn Tagen muß ich wissen, was die dunklen Sätze in den Anweisungen der Pergamenthandschrift bedeuten! – – Wären diese Blätter doch nie dem stillen Grabe des Bischofs entrissen worden! Wären sie niemals vor meine Augen gekommen! – –

 

Wer hat Sankt Dunstans Grab geplündert? Wer anders als ich selbst, der ich den Ravenheads die Geldmittel sandte und sie zu all ihren Schandtaten anspornte?! – – – Es rächt sich die Schuld, es vollzieht sich das Gericht. Nun hilf du, der du allein mir zu helfen vermagst, Retter meiner Ehre, meiner Mühen, meines Lebens: Engel des Herrn, Wundertäter vom westlichen Fenster!

 

Eine elende Lampe brennt trüb im Gemach. Schlaf will mich übermannen nach tage- und nächtelangen Grübeln, Studieren und Warten; meine Augen sind entzündet, und sie brennen, wie meine Seele brennt, nach Ruhe...

 

Kelley ist zurückgekommen. Ich habe ihm vorgestellt, wie ich mich abgequält, in den Sinn der Pergamente des Heiligen Dunstan einzudringen. Habe ihm das furchtbare Schicksal vor Augen gerückt, das uns allen zusammen droht, wenn die Forderungen des Kaisers unerfüllt bleiben sollten.

 

 

Kelley liegt halb schlafend in dem Lehnstuhl, in dem ich mir das Hirn zermartert habe. Er hat ein ganz spitzes Gesicht bekommen. Seine Augen glimmen manchmal unter halbgeschlossenen Lidern hervor, daß michs mit prickelnden Schaudern überläuft. Was denkt, was brütet dieser Mensch? Und was soll ich tun?

Mich schüttelt das Fieber der Angst. Ich kann nur mühsam das Zusammenschlagen meiner Zähne in diesem bald heißen, bald kalten Aufrauschen meines Blutes unterdrücken. Meine Stimme klingt rauh und belegt, als ich sage:

"Du weißt nun ganz genau, lieber Freund, wie die Dinge liegen. Wir müssen von jetzt an in kaum mehr als drei Tagen das Rezept der Tinkturbereitung, das Geheimnis des Pulvers aus Sankt Dunstans Grab entziffert haben, sonst sind wir wie die Jahrmarktsbetrüger angesehen und demgemäß behandelt. Wir sind der Inquisition ausgeliefert und brennen in wenigen Tagen wie... wie..." – das Wort zwängt sich mir zwischen die Zähne: "wie... der Bartlett Green im Tower zu London."

 

"So gib halt dem Kaiser das Buch!" –

Kelleys Trägheit wirkt aufreizender als der schlimmste Hohn.

"Ich kann ihm doch das Buch nicht geben, das ich nicht lesen und entziffern kann!" –

mein Aufschrei läßt Kelley das Haupt ein wenig heben. Sein Blick übergleitet mich mit dem lauernden Ausdruck einer Pythonschlange.

"Wenn also einer von uns aus dieser... aus dieser Fuchsfalle, in die du uns gebracht hast, retten kann, so bin ich das, nicht wahr?"

Ich nickte nur stumm.

"Was ist denn der Lohn des... Winkeladvokaten, den Sir John Dee aus dem Londoner Straßendreck aufgelesen hat?"

"Edward!!" schreie ich auf, "Edward, sind wir nicht Blutsfreunde?! Habe ich nicht alles, – alles mit dir geteilt wie mit einem wahren Bruder, – mehr: wie mit einem Stück von mir?"

 

"Nicht alles", hüstelt Kelley.

Mich fröstelt.

"Was wünschest du von mir?!"

"Ich von... dir, Bruder? Nichts, Bruder..."

"Der Lohn! Der Lohn! – – Was ist der Lohn, dein Lohn, Edward?"

Kelley neigt sich im Sessel vor.

"Die Geheimnisse des Engels sind unerforschlich. – Ich, sein Mund, kenne die Furchtbarkeit seiner Macht. Ich habe erfahren, was dem droht, der ihm Gehorsam geschworen hat und den Gehorsam nicht hält... Ich rufe den Engel nicht mehr..."

"Edward!" schreit aus mir die unmenschliche Angst.

"... ich rufe ihn nicht mehr, John, es sei denn, ich weiß, daß den Befehlen, die er gibt, Gehorsam folgt, wie dem Sonnenstrahl aus der Wolke das spiegelnde Aufleuchten des Sees. – – Willst du, Bruder John Dee, den kommenden Befehlen des Grünen Engels vom Westlichen Fenster gehorchen, wie ich gehorche?"

 

"Habe ich je anders gewollt?!" – in mir bäumt sichs hoch.

Kelley streckt mir die Hand entgegen.

 

"Das sei, wie es will. Schwöre Gehorsam!"

Mein Schwur erfüllt das Gemach wie ein wallender Rauch, wie Geflüster zahlloser Dämonen, wie Rauschen von grünen... ja, von grünen Engelsfittichen. – –

 

 

Burggraf Rosenberg ist das, der da vor mir auf und ab schreitet und mit bedauernder Miene die Achseln hebt und senkt. – Dann weiß ich plötzlich, wo ich bin: das farbige Dämmerlicht, das uns umgibt, fällt durch hohe Glasfenster eines Chorumgangs, und wir stehen hinter dem Hochaltar des Sankt-Veit-Doms auf der Burg.

 

Wieder solch ein seltsamer Begegnungsort, wie ihn Kaiser Rudolf und seine Beauftragten immer neu zu wählen wissen, um sich vermeintlicher oder wirklicher Belauerung und der hämischen Angeberwut der Spione des Kardinallegaten zu entziehen. – – Hier in dem majestätischen Gotteshause glaubt sich der Vertraute des Kaisers unbeobachtet.

Er bleibt endlich dicht vor mir stehen, und sein ernster, guter Blick, dem ein wenig hilflose Schwärmerei beigemischt ist, versucht mein Inneres zu erforschen. Er sagt zu mir:

"Sir Dee, ich vertraue Euch vollkommen. Ihr sehet mir nicht danach aus, als ob Ihr zwischen Galgen und Rad nach einem Silberheller haschen wollt, wie die Landstörzer und solche verzweifelte Gesellen zuweilen tun. Euch hat das rechte Wollen und der wahre Eifer um die Geheimnisse Gottes und der Natur nach Prag und in die nicht ungefährliche Nähe Kaiser Rudolfs geführt. – Ich darf Euch nochmals wissen lassen: die Nähe Kaiser Rudolfs ist für keinen ein Ruheport. Auch für seine Freunde nicht, Sir, wie ich Euch vertrauen will. Am wenigsten für Freunde seiner großen Leidenschaft, seiner... hm... seiner Adeptschaft. – Kurz: was habt Ihr mir zu sagen auf des Kaisers Befehl?"

Ich verneige mich in aufrichtiger Achtung vor dem Burggrafen.

"Der Engel, dem wir gehorchen, hat leider noch nicht die Gnade gehabt, auf unser inbrünstiges Flehen zu antworten. Er ist bis heute stumm geblieben. Aber er wird reden, wenn die rechte Zeit gekommen ist. – Er wird uns die Erlaubnis geben, zu handeln."

Im stillen wundere ich mich, wie leicht mir die Lüge, die rettende Ausflucht, von den Lippen geht.

 

"Ihr wollt also, daß ich meinem Monarchen glaubhaft mache, es hänge nur von der Erlaubnis des... des von Euch so genannten 'Engels' ab, daß Ihr der Majestät die Rezepte aus dem Grab des Heiligen Dunstan ausliefert? – Gut, aber wer verbürgt dem Kaiser, daß Euer Engel die Erlaubnis je erteilen wird? Ich mache Euch nochmals aufmerksam, Sir Dee: der Kaiser läßt nicht mit sich spaßen!"

 

"Der Engel wird seine Erlaubnis geben, Graf, ich weiß es; ich bürge dem Kaiser..." –

Zeit gewinnen! Zeit gewinnen, das ist alles, was mir übrig bleibt. –

"Euer Edelmannswort?"

"Mein Edelmannswort!"

"Es soll mir gelingen, Sir. – Ich will mir Mühe geben, die Majestät zu überreden, Geduld mit Euch zu haben. Es geht um mein eigenes Wohlbefinden dabei, möget Ihr wissen, Sir! Aber ich gedenke Eurer und Eures Freundes Versprechen, daß Ihr mich wollet teilhaben lassen an den Einweihungen, die das Buch verheißt. – Ist und bleibt auch das Euer Manneswort?"

"Mein Wort, Graf!"

"Man wird also sehen, was sich tun läßt. – Heda?! –"

Rosenberg fährt herum. Hinter ihm taucht aus der Tiefe einer der Kapellen, die den Chorumgang begleiten, eine schwarze Gestalt. Die Priesterkutte verneigt sich tief im Vorbeischlurfen. Der Burggraf schaut dem Mönch erbleichend nach.

 

"Nattern, wohin man tritt! Wann wird man dieses Nest des Verräters ausräuchern?! – Jetzt hat der Kardinallegat wieder Stoff zu Berichten..."

Der drohende Doppelschlag der zweiten Stunde zittert vom Turm der Prager Teynkirche durch die Nachtluft. Ein zorniges Sausen des nachschwingenden erzenen Ungeheuers da droben im Glockengebälk zischt herab und durch das Haus Doktor Hajeks, des kaiserlichen Leibarztes, darin wir wohnen.

 

Wir stehen vor der schweren Gelaßtür und Kelley dreht den Schlüssel; sein Gesicht ist ausdruckslos und leer, wie immer in den Stunden, die dem Erscheinen des Grünen Engels vorausgehen.

Kienfackeln in den Händen, klimmen wir eine eiserne Leiter, die kein Ende nehmen will, in gähnende furchtbare Tiefen hinab. Kelley voran; über mir mein Weib Jane.

Date: 2015-09-05; view: 254; Íàðóøåíèå àâòîðñêèõ ïðàâ; Ïîìîùü â íàïèñàíèè ðàáîòû --> ÑÞÄÀ...



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